Stéphane Hessel (* 20. Oktober 1917 in Berlin) ist ein französischer ehemaliger Résistance-Kämpfer, Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald. Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen; der alte Haudegen ist knackige 94 Jahre alt. Um ein Haar hätte er die Französiche Revolution als Zeitzeuge miterlebt… so oder so ähnlich ist das Erstaunen angesichts dieses biblischen Alters. Und als er selber glaubte mit seinem Leben abgeschlossen zu haben aber Kraft genug besaß, um ein letztes kleines Büchlein zu schreiben:
Quelle: http://www.flickr.com/photos/alearillo/
Empört Euch! (französisch: Indignez-vous !), – als Rentner hat man ja eine Menge Zeit- da gelang diesem aufmerksamen und beunruhigten alten Mann eine kleine Revolution: Er traf den Zeitgeist. Das Buch ist nichts Besonderes, aber es ist der fast verzweifelte Appel eines alten Mannes an eine Jugend, die den Wohlfahrtstaat für selbstverständlich hält und sich nicht vorstellen kann –zumindest aber es nicht erlebt hat- dass die sozialen Errungenschaften (freie Wahlen, Gesundheit, Bildung,…für jedermann) genau das sind: Errungenschaften und keine Selbstverständlichkeiten und dass man sie auch verlieren kann.
Man könnte ihn den geistigen Ziehvater der spanischen 15M Bewegung nennen, einer Revolte von Empörten, die sich vor genau einem Jahr mit Hilfe der sozialen Netzwerke –das hatte ihnen der arabische Frühling vorgemacht- an der Plaza de Espana , Madrid, trafen und wie in Luis Bunuels Film, der Würgeengel, den Platz nicht mehr verlassen konnten oder wollten.
Vor einem Jahr waren noch Zapateros Sozialdemokraten (PSOE) an der Regierung und das war ein großes Glück für die Indignados, -sie bauten Zelte auf der Plaza de Espana auf und beschlossen basisdemokratisch, dass sie den Platz so schnell nicht wieder verlassen würden- denn die um ihr Geschäft fürchtenden Geschäftsleute verlangten vom damaligen Innenminister, heute Vorsitzender der spanischen Sozialdemokraten, ein hartes Durchgreifen.
An dieser Stelle muss man einige nackte Tatsachen aufzeigen:
– In Spanien herrscht eine Arbeitslosigkeit von über 24% (!)
– Die Arbeitslosigkeit der unter 25-jährigen beträgt fast 50%; jeder 2. Jugendliche ist arbeitslos und damit ohne Zukunft
– Spanien ist eine Industrienation mit einem gut ausgebauten Bankensektor
– Eine Immobilienblase gigantischen nationalen Ausmaßes ist geplatzt –und nicht zufällig zeitgleich mit dem Zusammenbruch Lehman Brothers
– Spanien steuert in eine Rezession, aus der man nicht herauskommen wird wie man hineingegangen ist
– Spanien ist ein Paradebeispiel für Naomi Kleins Schock-Theorie
In diesen Tagen jährt sich dieser 15. Mai (15M) zu ersten Mal und die Bewegung kann auf ein ereignisreiches Jahr zurückblicken.
– In vielen Städten trafen sich Jugendliche, um ihren Unmut bei der Krisenbewältigung zum Ausdruck zu bringen
– Ihrem Beispiel folgend wurde die „Occupy Wall Street“ –Bewegung ins Leben gerufen
– In Spanien selbst haben sie erfolgreich einige Hausräumungen verhindern können, bei denen es sich um soziale Notfälle handelte (kranke, alte Menschen oder arbeitslose Mütter mit Kleinkindern, die von den Banken erbarmungslos auf die Straße gesetzt werden sollten)
– Unzählige Treffen in vielen Städten und Dörfern machen diese basisdemokratische Bewegung, die sich aus allen Schichten der Bevölkerung rekrutiert zu einem nicht mehr wegzudenkenden Phänomen.
Um es mit den Worten der Aktivisten zu sagen:
Sin trabajo – ohne Arbeit
Sin futuro – ohne Zukunft
Sin miedo – ohne Angst